…und deren Vermeidung.

Ratgeber zum Thema Führung folgen häufig einem einheitlichen Muster:

  • „Wie soll man führen?“
  • „Was sind meine Stärken, die ich ausbauen kann?“

Die umgekehrte Herangehensweise, wie man nichtführen oder welche Verhaltensweisen man vermeiden soll, steht im nachfolgenden Artikel im Vordergrund.

Dieses Vorgehen löst oft Irritationen aus, weil es der politisch korrekten Stärkenorientierung widerspricht und eine Art Schwächenorientierung ins Zentrum rückt. Aber halten wir uns vor Augen: Führungskräfte werden mit Hinweisen, wie man führen soll, oft überschüttet – durch Managementbücher, -zeitschriften und -trainings. „Partizipativ und kooperativ“ sagen die einen; „visionär und charismatisch“ die anderen; „zielorientiert und entscheidungsfreudig“ sagen die dritten; „systemisch“ die vierten; „authentisch“ die fünften. Die Vielzahl der gutgemeinten Angebote, wie man führen sollte, ist nahezu unbegrenzt.

Meiner Erfahrung nach ist es für viele Führungskräfte oft eine Erleichterung, wenn ich als Trainer und Coach stattdessen die häufigsten Führungsfehler mit ihnen bespreche. Wenn es gelingt, Führungskräften zu verdeutlichen, zu welchen ein oder zwei individuellen Fehlern sie neigen (und ihnen Wege aufzeigt, wie sie diese vermeiden können), ist ihnen oftmals viel mehr geholfen, als wenn versucht wird, ein idealisiertes Führungsverhalten einzuüben.

Oder wie Warren Bennis (2009: 34–35) es ausdrückt:

Leaders …know their faults as well as their assets, and deal with them directly. …They do not worry about failure, but embrace errors, knowing they will learn from them.

Typische Führungsfehler zu besprechen, sorgt auch nach meiner Erfahrung nicht etwa für Beklemmung, sondern für große Erleichterung unter Führungskräften: Sie haben die Möglichkeit, ihre früheren und gegenwärtigen Erfahrungen als Mitarbeiter einzubringen und unangenehme Situationen zu beschreiben (Führungskräfte sind schließlich ebenso Mitarbeiter der höheren Ebene). Sie können sich Luft machen über ihre Rolle als Mitarbeiter oder über Situationen der Vergangenheit, und viele freuen sich bei der Diskussion häufiger Führungsfehler darüber, Klartext reden zu können. Dieses Sich-Luft-machen über unangenehme Ereignisse, über schwierige Situationen, manchmal sogar über Mobbingfälle in Firmen oder über Beendigungen von Arbeitsverhältnissen in der Vergangenheit, kann eine enorme Motivation freisetzen.

Die sechs häufigsten Führungsfehler

Anknüpfend an eine Untersuchung, die ich im Jahr 2010 zusammen mit YouGovPsychonomics durchgeführt habe, und an meine eigenen Erfahrungen als Managementtrainer stellen sich die häufigsten Führungsfehler aus meiner Sicht wie folgt dar:

  • Laissez-faire: Der Vorgesetzte kümmert sich weder um Geschäftsprozesse noch um soziale Beziehungen am Arbeitsplatz.
  • Kumpelhaft / manipulierbar: Der Vorgesetzte hält keinerlei soziale Distanz zu Mitarbeitern, sondern möchte Führung auf Freundschaftsbasis gestalten und wird damit manipulierbar (Dieser Führungsfehler ist häufig bei Führungskräften zu beobachten, die neu in ihrer Führungsrolle sind.)
  • Mikro-Management: Der Vorgesetzte mischt sich in jedes Detail der Aufgabenbewältigung des Mitarbeiters ein.
  • Autoritär: Der Vorgesetzte führt durch Angsteinflößen, Drohung oder ungezügelte Machtausübung.
  • Paternalistisch: Der Vorgesetzte legt ein besserwisserisches, patronisierendes Verhalten an den Tag.
  • Narzisstisch: Der Vorgesetzte verhält sich eitel; nimmt jeden sachlich gemeinten Vorschlag als persönlichen Angriff wahr.

Die ersten drei Führungsfehler gehen dabei auf ein unterentwickeltes, die letzten drei auf ein übersteigertes Geltungsbedürfnis zurück. Tragen wir die Führungsfehler zusätzlich auf einer Achse „Interventionsimpuls des Vorgesetzten“ ab (ähnlich wie Eltern einen unterschiedlichen Interventionsimpuls bei ihren Kindern haben, unterscheiden sich Führungskräfte hinsichtlich ihres Interventionsimpulses bei Mitarbeitern), dann lassen sie sich wie folgt darstellen.

Der Effekt einer solchen Darstellung von Führungsfehlern ist nach meiner Erfahrung sehr groß: Die Konfrontation mit häufigen Führungsfehlern sorgt bei vielen Führungskräften für Kopfnicken wegen ihrer Erinnerung an frühere Situationen – und ein Nachdenken darüber, zu welchen Führungsfehlern sie jeweils selber neigen. Das offene Ansprechen des Themas „Geltungsbedürfnis“ in der obigen Abbildung sowie die Feststellung, dass Führungskräfte mit hohem Geltungsbedürfnis zu anderen Führungsfehlern neigen als solche mit niedrigem Geltungsbedürfnis, sorgen für einen gewissen Leidensdruck, der für die persönliche Weiterentwicklung zunächst sinnvoll ist. Wichtig ist, dass dieser Leidensdruck dann durch Lösungsmöglichkeiten wieder aufgehoben wird und mit dem Freisetzen positiver Handlungsbereitschaft beendet wird.

Kritische Selbstreflexion als Lösungsmöglichkeit

Die Zweckmäßigkeit, nicht nur Führungsstärken, sondern auch Führungsfehler zu thematisieren, lässt sich mit dem SWOT-Modell veranschaulichen, das eigentlich aus dem strategischen Management kommt und sich auf interne Stärken und Schwächen einer Firma sowie deren Chancen und Risiken im Markt bezieht (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats). Übertragen auf das Verhalten einer Führungskraft entsteht das folgende Bild:

Bei aller Einfachheit des Modells stellt eine solche persönliche Leadership-SWOT-Analyse erfahrungsgemäß für viele Führungskräfte einen enormen Reflexionsfortschritt dar. Gleichzeitig verstößt dieser Ansatz, wie oben angedeutet, gegen die Grundauffassungen vieler Personalmanager und Managementtrainer, nämlich gegen die Idee der reinen Stärkenorientierung. Eine Stärken- UND Schwächenanalyse gilt für viele Personaler und Trainer – interessanterweise jedoch für kaum einen Trainingsteilnehmer – für demotivierend oder konfrontativ. Nur: Würde beispielsweise im strategischen Management jemand ernsthaft auf die Idee kommen, nur die linke Seite einer SWOT-Analyse zu betrachten, also nur die Stärken und Chancen? Das wäre doch eine sehr befremdliche Auslassung. Die Analyse von Schwächen und Risiken gehört dazu; alles andere wäre eine bizarre Form von Paternalismus, wie man Führungskräfte quasi vor der Kenntnis ihrer eigenen Schwächen schützen würde. Das kann kein besonders erfolgversprechender Weg der Führungskräfteentwicklung sein.

Und in der Tat: Führungskräfte sind in Trainings und Coachings gerade bei der Artikulation negativer Erlebnisse und der Analyse eigener Schwächen mit besonderer Motivation bei der Sache. Denn sie spüren intuitiv: Das Überwinden erkannter Schwächen oder Vermeiden von Verhaltensrisiken stellt einen wichtigen Schritt ihrer Führungsentwicklung dar.

Literaturhinweise:

Thomas Armbrüster, 2017: Der Führungscoach, Führungskräfteentwicklung nach dem 5-Stufen-Modell. München: Verlag Franz Vahlen

Warren Bennis, 2009: On Becoming a Leader. Revised and Updated. New York: Basic Books

Published On: 29. April 2019 / Categories: Coaching, Leadership /