…und deren Vermeidung.
Vor wenigen Wochen habe ich die sechs häufigsten Führungsfehler von Managern beschrieben. Nun möchte ich den Spieß einmal umdrehen und die sechs häufigsten Fehler in der Personalentwicklung beschreiben.
In den vergangenen 10 Jahren habe ich viel mit Personalentwicklern unterschiedlicher Branchen zusammengearbeitet. Weit überwiegend waren es äußerst erfreuliche Kooperationen zur Führungskräfteentwicklung. Dennoch gibt es nach meiner Beobachtung eine Reihe von typischen Denkschablonen im Berufsfeld der Personalentwickler, die ich als Irrtümer bezeichnen möchte.
Nr. 1: „Wir müssen ein breites Angebot an Trainings bieten.“
Ein breites Angebot an Führungstrainings zu bieten, ist grundsätzlich nicht falsch. Das Problem ist meiner Erfahrung nach, dass dann in der Praxis die verschiedenen Trainingsinhalte häufig nicht koordiniert werden. Personalentwickler merken dann häufig gar nicht, dassdie Trainer sich in ihren Botschaften an die Trainingsteilnehmer unwissentlich gegenseitig widersprechen. Beispiel: Von dem einen Trainer bekommen die Trainingsteilnehmer zu hören, dass unbedingt transformational statt transaktional geführt werden soll (siehe Irrtum Nr. 2), von einem anderen Trainer bekommen sie Management by Objectives (also transaktionale Führung) als zentrales Führungsprinzip vermittelt. Solche Widersprüche sorgen für Irritationen bei den Teilnehmern.
Tipp: Stellen Sie sicher, dass die Führungskräfteentwicklung inhaltlich aus einem Guss kommt. (Übrigens brauchen Sie dazu keine allgemeinen Führungsleitlinien – siehe Irrtum Nr. 4 –, sondern eine Koordination der konkreten Trainingsinhalte.)
Nr. 2: „Transformationale Führung ist das Allheilmittel.“
Es gibt Personalentwickler, für die transformationale Führung zu einer Art Religion geworden ist. Dass transformationale Führung äußerst voraussetzungsvoll und für viele Führungssituationen nicht geeignet ist, wird so manches Mal nicht erkannt. Für Personalentwickler gilt es zu beachten: Während auf Topmanagementebene transformationale Führung erfolgswirksam ist, muss auf mittlerer Ebene häufig transaktional und auf unterer Führungsebene realistischerweise auch manchmal mit morgendlicher Ansage, was alles erledigt werden muss, geführt werden. Wenn man transformationale Führung als Allheilmittel präsentiert, kann dies zu großer Konfusion auf den mittleren und unteren Führungsebenen führen.
Tipp: Spielen Sie transformationale und transaktionale Führung nicht gegeneinander aus, sondern fördern Sie beide Fähigkeiten gleichermaßen. (Und: Verwechseln Sie transaktionale Führung bitte nicht mit direktiver Führung. Transaktionale Führung, z.B. mit Zielvereinbarungen, stellt einen Gegenentwurf zur direktiven Führung dar.)
Nr. 3: „Am besten ist eine reine Stärkenorientierung.“
Sich in der Führungskräfteentwicklung rein an den Stärken der Führungskräfte zu orientieren und diese auszubauen, ist gut gemeint. Aber: Menschen lernen vor allem aus Fehlern. Und sie wachsen besonders dann, wenn sie sich über ihre Irrtümer im Klaren werden; wenn sie die „Matrix“ erkennen, in der sie seither gelebt haben. Daher gilt es im Training, nicht nur Stärken zu identifizieren und darauf aufzubauen, sondern gut balanciert auch Schwächen und persönliche Hindernisse zu identifizieren, um sie irgendwann hinter sich lassen zu können. Oder sollen wir auch bei der SWOT-Analyse im strategischen Management in Zukunft vor lauter politischer Korrektheit das W und das T weglassen? Siehe dazu meinen Vorherigen Artikel.
Tipp: Stellen Sie als Personalentwickler sicher, dass die Trainer ein Gleichgewicht an Stärkenausbau und ehrlicher Schwächenreflexion bei den Führungskräften durchführen.
Nr. 4: „Wir brauchen erstmal Führungsleitlinien, bevor wir Führungstrainings ansetzen können.“
Kann in einer Schulklasse der Lehrer erst mit dem Mathe- oder Deutsch-Unterricht beginnen, wenn die Schule Leitlinien formuliert hat? Und machen die Leitlinien der Schule wirklich einen Unterschied für die Mathe- und Deutsch-Kenntnisse der Schüler, nicht etwa die Qualität der Lehrer? Personalentwickler sollten sich unmissverständlich klar machen: Die meisten Führungsleitlinien werden von mittleren und operativen Führungskräften als Buzzword-Bingo betrachtet und kaum ernstgenommen. Zumindest werden sie von den Führungskräften mit ihren unterschiedlichen Naturen sehr kreativ interpretiert. In der Führungskräfteentwicklung gilt daher: Die Qualität des Trainers macht den Unterschied, nicht die Führungsleitlinien der Firma.
Tipp: Priorität hat es, gute Trainer auszusuchen. Führungsleitlinien schaden nicht, können aber auch bottom-up aus den Trainings heraus entwickelt werden.
Nr. 5: Der Köder schmeckt dem Angler
Aber nicht dem Fisch. Nicht selten habe ich erlebt, dass die Personalentwicklung Trainingsinhalte aussucht, die aus ihrer Personalentwickler-Sichtweise Sinn ergeben, jedoch aus Sicht der Trainingsteilnehmer nicht. Die Teilnehmer halten die Inhalte dann für weltfremd oder für ihre konkrete Tätigkeit für nicht nützlich. Nahezu verhängnisvoll kann es werden, wenn Personalentwickler eine Art gesellschaftspolitische Agenda verfolgen, also Konzepte präferieren, die ihren gesellschaftspolitischen Vorstellungen entsprechen, z.B. die hierarchiefreie Organisation, Holocracy, Selbstorganisation, Authentizität oder Mindfulness. Wenn Personalentwickler die Linienmanager also nicht in deren Berufsfeld weiterentwickeln, sondern quasi gesellschaftspolitisch korrigieren wollen, dann stellt sich die Frage, ob für die Personalentwickler tatsächlich das wirtschaftliche Interesse der Firma oder eher eine gesellschaftspolitische Agenda handlungsleitend war.
Tipp: Setzen Sie sich als Personalentwickler intensiv mit der Lebenswelt der Linienmanager auseinander. Entwickeln Sie die Trainingsinhalte gemeinsam mit Linienmanagern, vorurteilsfrei und im wirtschaftlichen Interesse der Firma. Fokussieren Sie die Trainings auf das, was den Linienmanagern wirklich hilft, den Alltag zu bewältigen, nicht auf das, was Sie als Personalentwickler für gesellschaftspolitisch relevant halten.
Nr. 6: „Die Digitalisierung ändert alles.“
Nein, tut sie nicht. Gute Führung plus Digitalisierung bleibt gute Führung; schlechte Führung plus Digitalisierung bleibt schlechte Führung. Die drei zentralen Dimensionen von Führung (Koordination, Sinnstiftung und Initiative) werden in Zeiten der Digitalisierung ihre besondere Bedeutung erhalten. Allenfalls verstärkt die Digitalisierung gute Führung zu noch besserer und schlechte zu noch schlechterer. Und die Digitalisierung bietet neue Lernformate auch für Führungskräftetrainings. Selbstverständlich sollten Führungskräfte im Umgang mit digitalen Führungs- und Kommunikationsinstrumenten trainiert werden. Jetzt. Sofort. Aber das ersetzt kein Training über Führungsstile, Selbstreflexion im Führungsverhalten und Erkennen eigener Muster im Umgang mit Mitarbeitern.
Insgesamt:
Ein Programm zur Führungskräfteentwicklung, das nicht auf diesen sechs Irrtümern beruht, wäre inhaltlich konsistent, Teil eines durchdachten Curriculums, kommt ohne Buzzword-Bingo aus, wird der Lebenswelt der Führungskräfte gerecht, fördert deren jeweilige Stärken, ermöglicht das Erkennen ihrer jeweiligen Schwächen und ihrer bisherigen Denkmatrix und würde der Digitalisierung Rechnung tragen. Das wäre richtig gut.